Yin-Yang Körperregionen und neue Wissenschaft

Das traditionelle Kyusho-Jitsu und Dim-Mak basiert auf den Prinzipien der Traditionell Chinesischen Medizin (TCM). Mit diesen Erklärungsmodellen der TCM wird hierin auch das Herbeiführen eines K.O. erklärt.

Eines dieser TCM-Prinzipien basiert auf der Zuordnung nach Polaritäten (siehe in meinem ersten Buch „Die Prinzipien hinter Dim-Mak und Kyusho-Jitsu“; Band 1; Kapitel 6.1.8). So werden die Körperhälften dem Yin und Yang zugeordnet. Abwechselnde Treffer auf Yin und Yang Körperhälften sollen angeblich die Trefferwirkung verstärken und somit schneller zu einem K.O. führen.

Der Anspruch des modernen KYUSHO besteht auch darin, das Traditionelle zu hinterfragen und mit dem anerkannten Stand der modernen Wissenschaft zu betrachten.

So gibt es in der Tat einen modernen wissenschaftlichen Ansatz in der Neurophysiologie, mit dem das TCM-Prinzip der Polaritäten im Kyusho-Jitsu bzw. Dim-Mak erklärt werden könnte. Auch hierbei zeigt sich wieder, dass das alte TCM-Prinzip nicht durchgehend valide in Bezug auf Trefferwirkungen zu sein scheint.

Mit der neuen neurophysiologischen Betrachtung der Trefferwirkung, könnten Kämpfe somit effektiver und effizienter geführt sowie schneller beendet werden, indem gezielter ein K.O. (vasovagale Synkope) provoziert würde.

Nach der aktuell gültigen Wissenschaft zeigt sich nun Folgendes.

Das menschliche Gehirn ist in zwei Hälften unterteilt, einer linken und einer rechten Gehirnhälfte. Man spricht auch von den Gehirnhemisphären. Diesen Gehirnhälften werden jeweils unterschiedliche Aufgaben und Funktionen zugeordnet.

Eine maßgebliche wissenschaftliche Grundlage hierzu lieferte der italienische Neuropsychologe Guido Gainotti, der in den siebziger Jahren mit seinen Erkenntnissen die Hemisphären-Forschung revolutionierte. Fortan ist man sich einig, dass eine Gehirnhälfte jeweils die gegenüberliegende Körperhälfte steuert, als auch jeweils unterschiedliche neurophysiologische Prozesse abarbeitet.

Der amerikanische Neuroanatomist und Neurowissenschaftler A.D. (Bud) Craig jr. veröffentlichte im Jahr 2005 eine weitere hochinteressante neue Erkenntnis der Hemisphären-Forschung in Bezug auf das autonome Nervensystem. So konnte er nachweisen, dass die Aktivierung der rechten Gehirnhälfte mit der Aktivierung des Sympathikus und die Aktivierung der linken Gehirnhälfte entsprechend mit dem Parasympathikus einhergeht.

Für unsere Betrachtung des KYUSHO sind zwei wesentliche Erkenntnisse aus der Gehirn-Hemisphären-Forschung maßgeblich:

  • die rechte Gehirnhälfte steuert die linke Körperseite und die linke Gehirnhälfte die rechte Körperseite
  • die Aktivierung der rechten Gehirnhälfte aktiviert den Sympathikus und die Aktivierung der linken Gehirnhälfte entsprechend den Parasympathikus

Natürlich wurden auf dem Gebiet der Hemisphären-Forschung viele weitere Erkenntnisse gewonnen, auch was die Emotionen betrifft. Dieses Thema wird hier in der Betrachtung zur einfachen Auslösung eines K.O. jedoch nicht weiter vertieft. Emotionen nehmen wesentlichen Einfluss auf das Unterbewusstsein, was in den japanischen Kampfkünsten mit dem Zustand des Mushin einhergeht (siehe Band 1 „Die Prinzipien hinter Dim-Mak und Kyusho-Jitsu“).

In meinem ersten Buch („Die Prinzipien hinter Dim-Mak und Kyusho-Jitsu“, Band 1) habe ich dargelegt wie und warum neurophysiologisch ein K.O. (vasovagale Synkope) ausgelöst wird. Dies geht einher mit der parasympathischen Ausrichtung des autonomen Nervensystems.

In meinem zweiten Buch („Die Prinzipien hinter Dim-Mak und Kyusho-Jitsu“, Band 2) beschrieb und definierte ich die Körpertrefferflächen die für das KYUSHO als besonders effizient anzusehen sind.

In Kapitel 2.3 in diesem Band 2 nahm ich Bezug zu den Trefferflächen für einen Angriff auf die Leber. Wie in diesem Kapitel dargestellt, zeigen sich die Trefferflächen R2, R3 und R11 als besonders effizient, um den parasympathischen Reflex (K.O., vasovagale Synkope, präkollaptischer Zustand) auszulösen.

Bezieht man nun die oben beschriebenen neuen Erkenntnisse aus der Gehirn-Hemisphären-Forschung mit ein, so bestätigt dies die Effizienz dieser Trefferflächen. Diese o.g. Trefferflächen liegen auf der rechten Körperseite und aktivieren somit die linke Gehirnhälfte. Die Aktivierung der linken Gehirnhälfte aktiviert den Parasympathikus. Hier kann unter dem Gesichtspunkt der Summation von einer Verstärkung der Trefferwirkung ausgegangen werden.

Neben der eigentlichen Aktivierung des C-Faserschmerzes kommt hier nun zusätzlich noch die Aktivierung der linken Gehirnhälfte und somit die zusätzliche Aktivierung des Parasympathikus hinzu.

Was bedeutet diese Erkenntnis nun kampftechnisch?

1) die Trefferflächen R2, R3 und R11 sind hocheffizient, um den parasympathischen Reflex auszulösen (Leber-Treffer)

2) unter dem Aspekt der sympathischen- bzw. parasympathischen Summation (Kapitel 3.1 Band 2 „Die Prinzipien hinter Dim-Mak und Kyusho-Jitsu“ sowie Kapitel 8.2 Band 1 „Die Prinzipien hinter Dim-Mak und Kyusho-Jitsu“) ergeben folgende Treffer Kombinationen bzgl. der Körperhälften Sinn:

a) sympathisch -> parasympathisch
Also ein oder mehrere Treffer auf der linken Körperhälfte, wodurch ein A-Delta-Faser Schmerz oder A-Beta-Fasersignal (Berührung, z.B. Schlag, der noch keine Schmerzen auslöst) ausgelöst wird, jedoch nicht im Kopf- und Halsbereich (wegen der dort leicht zugänglichen Hirnnerven und Auslösung des Parasympathikus) sowie den Gonaden. Danach ein oder mehrerer Treffer auf der rechten Körperseite, bzw. im Kopf- und Halsbereich oder Gonaden oder C-Faser-Schmerz an beliebiger Stelle.

b) parasympathisch -> parasympathisch
Also hier die rein parasympathische Summation. Wiederholende Treffer auf der rechten Körperseite, bzw. im Kopf- und Halsbereich oder Gonaden oder C-Faser-Schmerz an beliebiger Stelle.

Es sollte die Trefferfolge parasympathisch -> sympathisch vermieden werden, da hierdurch das autonome Nervensystem „resettet“ und die vorhergehende parasympathische Stimulation quasi zurückgesetzt und somit wirkungslos würde. Also Schlag- bzw. Trefferkombinationen rechte Körperhälfte danach linke Körperhälfte ergeben demnach wenig Sinn, wenn mit dem Treffer auf die linke Körperhälfte kein C-Faser-Schmerz ausgelöst wird.

Dieser oben beschriebene theoretische Ansatz lässt sich sehr gut beobachten bei der Analyse von K.O. Kampfsportvideos (z.B. UFC Fights oder Boxkämpfen).

Bei der Ausarbeitung bzw. Verbesserung der eigenen Schlagkombinationen sollte diese Erkenntnis berücksichtigt werden, um diese besonders effizient zu gestalten.

 

 

Literaturquellen

SCHROERS, Holger (2019) „Die Prinzipien hinter Dim-Mak und Kyusho-Jitsu“, Band 1

SCHROERS, Holger (2021) „Die Prinzipien hinter Dim-Mak und Kyusho-Jitsu“, Band 2

CRAIG, A.D. (2005) „Forebrain emotional assymetrie: A neuroanatomical basis?“ Trends in cognitive Science

GAINOTTI, G. (1972) „Emotional behaviour and hemispheric side lesions“

 

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Sind SV Techniken im Stehen und Liegen ausgeführt wirklich gleichwertig?

Vielfach wird behauptet, dass es im Wesentlichen unbedeutend sei, ob man SV Techniken zur Verteidigung stehend oder liegend ausführt. Oft wird dieses Argument verwendet, wenn jemand im Bodenkampf noch recht unerfahren ist und sich in dieser Situation unterlegen fühlt. I.d.R. können die gleichen SV Techniken, die man im Stand gegenüber einen Angreifer verwendet, auch in Rückenlage auf dem Boden ausgeführt werden.

Aber in Bezug auf die Trefferwirkung besteht ein erheblicher Unterschied, der nicht zu vernachlässigen ist und jedem Kampfkünstler bekannt sein sollte.

KYUSHO befasst sich mit der medizinischen, neurophysiologischen und physikalischen Betrachtung der Kampfkunst, also der Ausführung von SV Techniken sowie deren Trefferwirkung. Diese Zusammenhänge wurden ausführlich in dem Buch „Die Prinzipien hinter Dim-Mak und Kyusho-Jitsu – Band 1 – Grundlagen“ dargestellt.

Betrachtet man bspw. den KO (vasovagale Synkope) als Angriffs- bzw. Konterziel, so wird dieser parasympathische Effekt ausgelöst über die entsprechende Aktivierung des Nucleus tractus solitarii. Dieser sorgt für eine Verlangsamung der Herzschlagfrequenz und Herabsetzung der Herzkraft bei gleichzeitiger Weitstellung der Blutgefäße. Dies führt zu einem abrupten und sehr starken Abfall des Blutdruckes.

Jetzt folgt eine kurze physikalische Beschreibung. Wird eine Flüssigkeit in einem Rohrleitungssystem nach oben gepumpt, so muss die Pumpe einen bestimmten Druck erzeugen, der größer ist als der in den Rohrleitungen erzeugte Strömungswiderstand, der Luftdruck, und das Gewicht der Flüssigkeit selbst, dass hinauf gepumpt werden soll (Schwerkraft). Ist der Druck der Pumpe nicht groß genug, kommt keine Flüssigkeit oben an.

So verhält es sich im Körper auch mit dem Blutdruck und dem Herzen als Pumpe. Eine stehende Person benötigt einen höheren Blutdruck als eine liegende Person, um das Gehirn mit der ausreichenden Blutmenge zu versorgen. Auch eine sitzende oder hockende Person benötigt demnach einen geringeren Blutdruck als eine stehende Person.

Führt ein Wirkungstreffer zu diesem parasympathischen Effekt und somit zu einem abrupten Blutdruckabfall, so wird das Gehirn nicht mehr mit genügend sauerstoffreichem Blut versorgt. Es schaltet in den Notzustand. Die vasovagale Synkope, ein KO wird ausgelöst. Der Körper fällt i.d.R. in die Waagerechte. Hierdurch wird wieder leichter das Blut ins Gehirn transportiert.

Führen Kopftreffer bei einer stehenden Person zu einem KO (vasovagale Synkope), so führen die gleichen Kopftreffer, mit gleicher Härte, bei einer liegenden oder hockenden Person nicht unbedingt auch zu einem KO, da in dieser Position ein geringerer Blutdruck ausreicht, um das Gehirn mit sauerstoffreichem Blut zu versorgen.

Kampftechnisch hat dies eine erhebliche Bedeutung. Befindet man sich im Bodenkampf, in einer annähernd waagerechten oder hockenden Position, so erleidet man selbst nicht so schnell einen KO bei entsprechenden Treffern.

Ist es das Ziel des Konters, bei dem Angreifer einen KO zu erzielen, so ist dies evtl. nicht so leicht zu erreichen, wenn sich der Angreifer in einer hockenden oder sitzenden Position, im Bodenkampf, auf einem befindet. Die SV Techniken und das zu erreichende Ziel sollten dies entsprechend berücksichtigen.

Dieses oben beschriebene Phänomen kann sehr gut bei UFC Kämpfen beobachtet werden. Auf der Facebookseite der UFC werden in dem folgenden Video einige KOs als Zusammenschnitt gezeigt (das Video ist öffentlich gepostet und kann auch ohne Facebook Login angesehen werden). In dem Video sieht man sehr deutlich, wie durch Summation von Kopftreffern beim stehenden Kämpfer ein KO ausgelöst wird. Gleiche Treffer führen jedoch bei liegenden Kämpfern nicht unbedingt zum KO.

https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=3914479445254643&id=151624928206799&m_entstream_source=video_home&player_suborigin=entry_point&player_format=permalink

Mit diesem Wissen können die eigenen SV Techniken optimiert werden. Das ist das Ziel des KYUSHO.

 

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neurophysiologische Summation bis zu einem K.O.

In meinen KYUSHO Seminaren und in meinem Buch „Die Prinzipien hinter Dim-Mak und Kyusho-Jitsu“ erkläre ich die neurophysiologischen Zusammenhänge hinter den Wirkungstreffern. Ich zeige auch, wie man mit einer Trefferfolge systematisch auf einen K.O. hinarbeiten kann.

Über die sogenannte „Summation“ können Treffer in einer bestimmten Reihenfolge gesetzt werden, um bspw. den parasympathischen Effekt der vasovagalen Synkope (einen neuronalen K.O.) auszulösen. Es kommt im Wesentlichen darauf an, in welcher Reihenfolge und wie die Treffer gesetzt werden. Wählt man die falsche Reihenfolge, oder setzt die Treffer nicht richtig, so kann das autonome Nervensystem auch wieder dadurch resettet werden und die zuvor gesetzten Treffer haben somit keinen Einfluss mehr und waren quasi vergebens.

Durch die gezielte Auswahl der Trefferkombinationen und -folgen kann also sehr effizient auf einen schnellen K.O. hingearbeitet werden.

Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist Coner McGregor, einer der erfolgreichsten UFC Fighter. Er nutzt (wahrscheinlich unwissend über die neurophysiologischen Zusammenhänge, aber instinktiv richtig) perfekt die neurophysiologische Spielart der Summation, wodurch bei seinen Gegnern sehr rasch die vasovagale Synkope (neuronaler K.O.) ausgelöst wird.

Erkennt Ihr, in welcher Weise er summiert?

sympathisch -> sympatisch ?
sympatisch -> parasympathisch ?
parasympathisch -> sympathisch ?
parasympathisch -> parasympathisch ?

Es ist nicht verwunderlich, dass er so erfolgreich ist.

Link zu youtube

 

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